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Wie kann ich mich verständlich ausdrücken, und wenn nicht, wie doch?

Frank Altrock • Mai 22, 2023
Vorab ein Beispiel: "Der labert sich eins zurecht, so ein schlechter Vortrag ist kaum zu ertragen. Kann dem nicht mal einer Bescheid sagen?" "Habe ich schon, aber er ändert nichts!" Kennen Sie solche Situationen auch? Und das Gefühl, dass es bei Ihnen hinterlässt? In diesem Blogbeitrag beschäftige ich mich u.a. mit "Overexplaining", und was dabei möglicherweise wirklich hilft.

Am vergangenen Wochenende fand die Abschluss-Supervision der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der berufsbegleitenden Studiengänge von Team Dr. Rosenkranz in „Systemischer Organisationsentwicklung" im wunderschönen Hotel Kloster Holzen bei Augsburg statt. Dabei hatten wir zunächst im kleinen Kreis Gelegenheit, zentrale Erkenntnisse zum sozialen Lernen während unseres Studiums (und darüber hinaus) unter Supervision von Hans Rosenkranz zu reflektieren. In etwas größerer Runde stand dann eine „Lehrprobe“ zu Methoden des Coachings, Trainings oder Consultings an. Hierbei und schließlich in weiteren Open Spaces entstand ein facettenreiches, anregendes, persönlich verbindendes und begeisterndes Miteinander, das Herz, Hirn und Hand ansprach.

In meiner Lehrprobe habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie wir uns in Präsentationen etc. verständlich ausdrücken können. In der Vergangenheit haben wir sicher alle schon Texte (E-Mails, Vorstandsvorlagen, …) geschrieben. Einige waren brillant, andere lausig. Auch im mündlichen Vortrag. Meine Vorlesungen z.B. waren manchmal überdetailliert, unstrukturiert und langatmig, manchmal waren sie so packend, dass man Stecknadeln fallen hören konnte. In Anlehnung an I. Langer, F. Schulz v. Thun und R. Tausch hängt die Verständlichkeit an folgenden vier Erfolgsfaktoren:


  • Einfachheit: einfache Darstellung, kurze Sätze, (für die Zielgruppe) überwiegend geläufige Wörter (die wenigen Fachwörter werden erklärt), konkret, anschaulich
  • Struktur (innere und äußere): gegliedert, stimmige Reihung, übersichtlich, roter Faden
  • Prägnanz: angemessen kurz/konzentriert/breit, aufs Wesentliche und das Lehrziel beschränkt
  • Existenz anregender Zusätze: interessant, abwechslungsreich, persönlich


Diese Faktoren können noch weiter auf die Formel "KKK" (kurz, knapp, konkret) eingekürzt werden. Sie lassen sich auf die Vermittlung einfacher Sachverhalte („Wie ist die Vorfahrt an einer Ampelkreuzung geregelt?“) anwenden, aber auch auf komplizierte („Was versteht man unter der ‚Modified Duration‘ eines Wertpapiers?“). Ich erinnere mich z.B. an eine sehr verständliche Präsentation eines sehr komplizierten Themas des Nobelpreisträgers Gérard Debreu in Bielefeld. Zwar gibt es ein paar Gegenläufigkeiten zwischen den Faktoren (z.B. zu viel anregende Zusätze verhindern die Beschränkung aufs Wesentliche), aber das Kochrezept für verständlichen Ausdruck ist im Grunde nicht so kompliziert. Warum kommt trotz dessen Kenntnis so viel Unverständliches dabei heraus?


Eine mögliche Erklärung liefern innere Konflikte: eigentlich würden wir uns ja verständlich ausdrücken, aber andererseits … Ausgangspunkt der Gegenargumente ist meistens irgendeine Form von „Nicht-OK sein“. In dessen angestrebter Bewältigung spielen ursprünglich einmal nützliche innere Glaubenssätze und sonstige Anpassungen, die wir uns in unserer Kindheit als damals wirksam angeeignet haben, eine Rolle. Im Stress werden diese unbewussten Muster handlungsleitend („Skriptverhalten“). Für die heutige Situation sind sie oft unangemessen und ungeeignet. Mir sind folgende (nicht immer überschneidungsfreie) Motivlagen eingefallen. Deren Systematik korrespondiert übrigens mit einer alten Typenlehre seelischer Muster:


  • Perfekt“: Dinge sollen exakt richtig dargestellt werden, weil es sonst nicht gut genug ist; weniger ist nicht denkbar
  • Retter“: ‚Leute werden mich mögen, wenn ich ihnen viel gutes Wissen etc. liefere‘; darin: ‚Leute sind nicht so intelligent wie ich und verstehen es sonst nicht'
  • Cleveres Kerlchen“: Wunsch, mit umfassendem Wissen etc. gesehen zu werden; darin auch:
    Nachjustieren“: Unsicherheit darüber, ob mein erster Kommunikationsschritt hinreichend ist, danach absichtsvoll nachliefern (zu hart? -> Freundlicheres, zu knapp? -> ausführlicher)
  • Feuerwerk“: dem kreativen Feuerwerk der assoziierten Ideen, die spontan im Kopf entstehen, ungesteuert nachgehen und Verwirrung in Kauf nehmen
  • Zielgruppenverwirrung“: Vorwissen/Motivation/Interesse der Zielgruppe falsch eingeschätzt (insb. zu viel/zu wenig vorausgesetzt)
  • Verantwortungsscheu“: Angst haben davor, Dinge wegzulassen oder zu priorisieren; nicht schuld daran sein wollen, dass Wichtiges verloren geht
  • Unbewusst“: Verständlichkeit gar nicht explizit beabsichtigen, planen und beachten; einfach ohne Beachtung der Bedürfnisse des Gegenübers entspannt „drauflosplaudern“
  • Nebelkerze“: Sachverhalte ohne Not schwerer darstellen als sie sind, um nicht verstanden zu werden und so die Distanz und das Machtgefälle zu wahren
  • Antriebsschwach“: 'einen strukturierten Text/Vortrag zu gestalten hätte echt zu viel Energie gekostet'


Warum drücken Sie sich unverständlich aus? Welche der genannten Motivlagen trifft auf Sie tendenziell am meisten zu? Stimmt das wirklich, was die zugehörige innere Stimme Ihnen in dieser Situation glauben machen will? Was bräuchten Sie, um sich davon zu lösen?


‚What to do‘: In der wenige Tage später stattfindenden Intervisionsgruppe „LernLab“ zum Studiengang haben wir diesen Fragen nachgespürt und erste individuelle Impulse entwickelt. In weiteren Schritten kann das auf Anerkennung durch andere gerichtete „Skriptverhalten“ an der Wurzel gepackt werden, und es können Lösungsstrategien entwickelt werden. Diese bestehen insb. in der Verinnerlichung von Erlaubnissätzen (z.B. „die Leute mögen mich, unabhängig davon, ob ich viel gutes Wissen liefere“). Die „Erlösung“ erfolgt hierbei möglichst sanft und in einer spezifischen Weise für das seelische Muster, welches auch danach weiterhin durchscheint. Auch psychische Dispositionen (z.B. Aufmerksamkeitsdefizite) müssen ggf. beachtet werden.

Und was ist zu diesem Thema aus alter Zeit bekannt: wenn wir noch eine Ebene tiefer gehen, was sagen die 'old rocks' der Menschheitsgeschichte über das gute Leben hierzu? Mir fallen zwei Zitate ein:

"Nur selten oder nie begegnen auf der Fahrt
Hiernieden zweie sich von gleicher Sinnesart.

Was jenem wichtig scheint, hält dieser für entbehrlich,
Und was der wichtig nennt, ist jenem nur beschwerlich.

Daher ein Lehrender und Lernender sich nie
Im Grunde ganz verstehn, doch lehren, lernen sie.

[…] Durch Lehren lernen wir; das Sprichwort bleib‘ in Ehren,
Doch wahr ist’s auch, dass wir durch Lernen selbst uns lehren.”

aus: Friedrich Rückert - Die Weisheit des Brahmanen, 1836


„Jeder Mensch ist eine in Ausführung befindliche Arbeit, die sich langsam, aber unaufhaltsam ihrer Vollkommenheit nähert."

aus: Elif Shafak - Die vierzig Geheimnisse der Liebe 
(über den persischen Mystiker Schams-e Tabrizi, 1244), S.148


Bildquellen: Kloster Holzen GmbH, Eigene Grafik basierend auf Angela_Yuriko_Smith und frau_schatzkiste auf pixabay

von Frank Altrock 09 Feb., 2023
Gestern bei bestem Wetter Klausuren an der Hochschule Trier in Banking und in Mathematik beaufsichtigt. In der Banking Klausur spielte Banktheorie in Form des Diamond-Modells und des Diamond-Dybvig-Modells eine Rolle. Die Namensgeber dieser Modelle, Philip Dybvig und Douglas Diamond, erhielten zusammen mit Ben Bernanke im vergangenen Jahr den Nobelpreis für Wirtschaft. Darin wird erstmals wirklich schlüssig erklärt, warum es eine richtig gute Idee ist, Banken zu haben und warum, wenn es sie noch nicht gäbe, man sie bald erfinden sollte. Manche sagen: „Warum beschäftigt man sich überhaupt damit, warum es Banken gibt. Es gibt sie nun mal. Dann lernen wir doch am besten, wie man sie steuert, welche Spezifika in der Rechnungslegung und Regulierung es für sie gibt etc.“ Das ist auch sehr wichtig, aber ein bisschen erinnert mich diese Haltung an „42“. „42“ ist das Ergebnis, das der Supercomputer Deep Thought im ironischen Science-Fiction-Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams nach über 7 Mio. Jahren Rechenzeit ausspuckt. Und zwar als Antwort auf die Frage aller Fragen, nämlich die „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Die Antwort ist richtig, aber dass sie dennoch als unbefriedigend von den sehnsüchtig wartenden Menschen empfunden wird, erklärt der Supercomputer damit, dass die Frage von den Vorfahren zwar grob genannt, aber niemals konkret formuliert wurde. Deep thought: “I think the problem, to be quite honest with you, is that you've never actually known what the question is."
von Frank Altrock 27 Jan., 2023
Vorab ein Beispiel: A ist genervt von einem bestimmten Verhalten von B. Was kann A tun, um B hierüber zu informieren und möglicherweise dazu zu bringen, sich nicht mehr so zu verhalten? In diesen Tagen ging das Seminar „ Konfliktmanagement und Kooperation “ an der Hochschule Trier zu Ende. Die Studierenden erarbeiten in diesem Semester zunächst in Seminararbeiten die Konflikttheorie, um dann später in Selbsterfahrung eigenem Konflikt- und Kooperationsverhalten nachzuspüren und Kommunikationstechniken zu erarbeiten. Ein zentraler Ankerpunkt war das Eisbergmodell der Kommunikation. Darin beschreibt die Inhaltsebene die Aufgaben, Sachziele und fachlichen Inhalte. Diese stehen häufig im Vordergrund und sind Hauptgegenstand der Kommunikation. Die Prozessebene hingegen beinhaltet die Gefühle der Einzelnen und die sozialen Beziehungen zwischen ihnen. Nach dem Modell ist sie die ausschlaggebende re für gelingende Kommunikation und damit Kooperation. Obwohl sie allpräsent ist, wird über ihre Inhalte selten gesprochen, sie ist gleichsam der unter der Wasseroberfläche liegende größere Teil des Eisbergs. Reife und erfolgreiche soziale Gruppen kommunizieren unter bewusster Wahrnehmung dieser Ebene und über diese Ebene (Metakommunikation), ohne die Inhalts- und Erfolgsorientierung zu vernachlässigen.
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